2. Zykluskonzert Programmdetails für 12.02.2025

DAS ATMENDE KLARSEIN

2. Zykluskonzert
12.1.2025- 20.00 Uhr
Mozart-Saal, Wiener Konzerthaus

Programmfolge: 
Guillaume de Machaut – Messe de Notre Dame (Kyrie, Gloria, Sanctus, Agnus)
Germán Toro Pérez – Cantos de Sombras
PAUSE
Luigi Nono – Das atmende Klarsein
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Ausführende:

Company of Music
Barbara Achammer, Katharina Linhard, Hannah Fheodoroff / Sopran
Martina Hübner, Heidemaria Oberthür, Magdalena Janezic / Alt
Sebastian Taschner, Jakob Gerbeth, Julian Podger / Tenor
Maximilian Schnabel, Maximilian Anger, Daniel Menczigar / Bass
Doris Nicoletti, Bassflöte
Germán Toro Pérez, Live-Elektronik
Markus Wallner, Tontechnik
Johannes Hiemetsberger, Leitung

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Informationen zu den Werken: 

Germán Toro Pérez: Cantos de Sombras (Schattengesänge)
4 Fragmente aus dem Roman “Pedro Páramo” von Juan Rulfo
für Vokalensemble und computergenerierte Klänge
2013, 25’ 8-Kanal
Auftragswerk von Peter Siegwart für das Vokal Ensemble Zürich
Cantos de Sombras ist nach dem Zyklus Rulfo/voces/ecos für Streichtrio und Elektronik (2004-06) eine weitere Annäherung an das Werk des mexikanischen
Schriftstellers Juan Rulfo und wurde als Teil eines Musiktheaterprojektes nach dem Roman Pedro Páramo konzipiert. Obwohl es nur schwer möglich erscheint, diese Texte einzuordnen, ohne den gesamten Kontext des Romans zu erfahren, könnten diese fragmentarischen Klangbilder wenigstens imstande sein, den Zuhörer in die Schattenwelt Rulfos einführen.
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Wenn wir den Roman als die Geschichte des Untergangs des Dorfes Comala zu den Zeiten der mexikanischen Revolution aufgrund der Unfähigkeit seiner Bewohner, ihr historisches Schicksal in der Hand zu nehmen, gefangen in einer mythischen Zeit, beherrscht durch die gnadenlose Macht des Kaziken Pedro Páramo und ein Gewebe aus Gewalt, Hoffnungslosigkeit und Aberglauben begreifen, kann die Figur von Susana San Juan –auf die sich die vier Fragmente beziehen– als möglicher Schlüssel dienen. Susana, die Jugendliebe von Pedro, war die Ursache seiner nicht verwirklichten Liebe, aufgrund welcher Pedro letztendlich das Dorf unterwarf und schließlich zerstörte. Susana erscheint als die einzige Figur, die imstande war ihre Autonomie zu bewahren, ihre Liebe zu verwirklichen und sich der dreifachen Unterwerfung durch Pedro, ihren Vater und ein enges gesellschaftlich-religiöses Umfeld zu entziehen. Anhand von Susana gewinnt die Idee der Revolution als Akt der Befreiung eine neue Bedeutung.
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Die Texte spiegeln vier Schlüsselmomente ihres Lebens wider: die „Zeit des Windes“, Pedros idealisierte Erinnerung seiner glücklichen Kindheit mit Susana; Susanas Riten sinnlicher Verwirklichung im Meer; die Zeiten ihres Deliriums versinnbildlicht durch den unaufhörlichen Regen und schließlich, der Augenblick ihres Todes in dem sie bis zum Schluss dafür kämpft, ihren inneren Frieden gegen die grausamen Visionen, die ihr aufgedrängt werden und ihr mutmaßliches Heil bringen sollen, zu behaupten.
Die Konzeption und Ausarbeitung der Teile I und II wurde im Rahmen der DAR Residency, ermöglicht durch die Litauische Komponisten Gesellschaft in
Druskininkai im Juli 2013 fertiggestellt.
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Texte

(aus Pedro Páramo, Übersetzung von Dagmar Ploetz, Suhrkamp Verlag 2010)

I. El aire
„Ich dachte an dich, Susana. An die grünen Hügel. Wie wir in der windigen Zeit Drachen steigen ließen. Von unten hörten wir den lebendigen Lärm des Dorfes, aber wir standen darüber, oben auf dem Hügel, und der Wind riss die Hanfschnur mit sich. ‚Hilf mir, Susana.’ Und weiche Hände umfassten fest meine Hände. ‚Lass mehr Leine los.’ Der Wind brachte uns zum Lachen, führte unsere Blicke zueinander, während die Schnur mit dem Wind durch unsere Finger lief, bis sie mit einem leichten Ächzen riss, als habe sie der Flügel eines Vogels zerschnitten. […] Deine Lippen waren feucht, als hätte der Tau sie geküsst.“

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II. Das Meer
»Mein Körper fühlte sich wohl auf dem warmen Sand. Ich lag da in der Meeresbrise, die Augen geschlossen, die Arme offen, die Beine ausgestreckt. Und vor mir das Meer, fern, das es kaum Schaumspuren an meinen Füßen hinterließ, wenn die Flut kam…« […]
»Das Meer umspielt meine Knöchel und weicht zurück, es umspielt meine Knie, meine Schenkel; es legt seinen weichen Arm um meinen Leib, flutet über meine Brüste zurück, es schlingt sich um meinen Hals, drückt auf mein schultern. Dann versinke ich in ihm, ganz und gar. Ich gebe mich ihm hin, seinem heftigen Drängen, seinem zarten Besitzen, ganz und gar.«
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III. Der Regen
Auf die Felder im Tal von Comala fällt Regen. Ein dünner Regen, ungewöhnlich für diesen Landstrich, der nur Platzregen kennt. Es ist Sonntag. Die Indios sind von Apango heruntergekommen mit ihren Kränzen aus Kamillen, dem Rosmarin, den Thymianbündeln. Sie haben keine Fichtenspäne für die Fackeln dabei, weil die Fichten nass sind, und keinen Steineichenhumus, weil auch der vom vielen Regen nass ist. Unter den Arkadenbögen breiten sie ihre Kräuter auf dem Boden aus und warten.
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IV. Der Tod („Duett“)
»Ich habe den Mund voller Erde.«
»Ich habe den Mund voll von Dir, von deinem Mund.«
»Ich schlucke schaumigen Speichel. Ich kaue Erdbrocken voller Würmer, die mir im Hals steckenbleiben und den Gaumen aufkratzen … Mein Mund fällt ein, verzieht sich zu Grimassen, zerlöchert von den Zähnen, die ihn durchbohren und verschlingen. Die Nase wird weich. Die Gelatine der Augen schmilzt. Die Haare brennen in einer einzigen Lohe…«
»Ich habe den Mund voll von Dir, von deinem Mund.«
»Zu Glut wird das Mark unserer Knochen und die Adern unseres Bluts zu Feuerfäden, und wir bäumen vor unsagbarem Schmerz, ein Schmerz der nie nachlässt, den der Zorn des Herrn immer neu schürt.«
»Ich habe den Mund voll von Dir, von deinem Mund.«
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Luigi Nono: Das atmende Klarsein
für kleinen Chor, Bassflöte, Live-Elektronik und Zuspielband, 1980-83
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Das atmende Klarsein ist Nonos erstes Produkt der Zusammenarbeit mit dem Freiburger Experimentalstudio. Wie alle weiteren Werke mit Live-Elektronik aus dieser Zeit weist es in mancher Hinsicht schon auf das Hauptwerk der 1980er Jahre, den Prometeo voraus. Die Textauswahl für den Prometeo, die Nonos Freund Massimo Cacciari besorgt, beginnt 1980 mit dem Vorschlag Cacciaris, Ausschnitte aus Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien zu verwenden. Dieser Text bildet dann aber erst einmal die Grundlage für Das atmende Klarsein. Hier kommen außerdem zwei kurze Fragmente aus den Sonetten an Orpheus von Rilke dazu und Teile altgriechischer Gebete. Teile des Textes wurden von Cacciari ins Italienische übersetzt, so dass deutsche, griechische und italienische Textfragmente zu hören sind, die (in den beiden letzten Chorteilen) in der für Nono typischen Weise collagiert und übereinandergeschichtet werden, dass sie beim Hören teilweise sehr schwer verständlich sind. Zum ganzen Text gehts hier: Das atmende Klarsein, Einführung.

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Die Wirklichkeit – so Luigi Nono sinngemäß – könne am besten über das Hören erfasst werden. Knapp 700 Jahre vorher zaubert Guillaume de Machaut eine